Kunsttherapeutisches Tagebuch

Kunsttherapeutisches Tagebuch

Kunsttherapeutisches Tagebuch

Seelische Prozesse sichtbar machen

In meiner Schulzeit habe ich viel gezeichnet, aber dann geriet dieses schöne Hobby über viele Jahre in Vergessenheit. Erst mit Mitte Dreißig, als die Arbeit mich stark beanspruchte, griff ich wieder zu Stift und Papier. Dabei ahnte ich noch nicht, was sich daraus entwickeln sollte. Ich kaufte mir ein Skizzenbuch und zeichnete fast täglich. Nichts von diesen Arbeiten war künstlerisch wertvoll. Es war nur für mich, niemandem gewährte ich Einblick in das Buch.

Absichtsloses Zeichnen und Malen

Während meine Lehrer in der Schule sehr streng zu mir waren, kritzelte ich jetzt geradezu kindlich einfach drauf los. Ich spielte mit der Linie, mit den Formen und Farben. Es war egal, was entstand, wichtig war der Moment. Den Beriff "kunsttherapeutische Tagebuch" kannte ich noch nicht, aber ich spürte, dass es mir gut tat. Das absichtslose Tun gibt es eigentlich gar nicht mehr in unserem Alltag. Immer sollen wir ein Ziel haben, das Ergebnis muss vorzeigbar sein. So werden wir tagtäglich darauf trainiert, dass alles optimiert werden muss, wenn etwas wertvoll sein soll. Wenn wir ohne ein konkretes Ziel zeichnen, so lassen wir den ganzen Optimierungswahn hinter uns. Dann stellt sich ein völlig neues Gefühl ein: wir sind vergnügt und zufrieden mit uns und der Welt.

Und plötzlich zeigt sich etwas

Wenn wir diesem spielerischen Tun für eine Weile nachgehen, dann enststeht ein kunsttherapeutischer Prozess. Aus den einzelnen Bildern ensteht eine Serie, die in einem Buch zusammengehalten wird. Es ist ein bisschen wie eine Bildgeschichte, nur dass die Seele der Erzähler ist. Wenn wir genau hinschauen, erkennen wir uns selbst. Das, was sich zeigt, kann überraschend und tief berührend sein. Es zeigt sich ein Teil von uns, den wir vorher kaum wahrgenommen haben und jetzt sichtbar ist.

Bilder entschlüsseln

In einem Tagebuch halten wir alles fest, was uns gerade wichtig ist, wie wir uns fühlen, womit wir uns gerade auseinandersetzen. Im kunsttherapeutischen Tagebuch ist das genauso, nur dass wir anstatt die Sprache Formen und Farben verwenden. Meist zeigt sich ein übergeordnetes Thema, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Die Bilder können mittels guter Fragen entschlüsselt werden. Ich selbst habe meine Bilder nicht ansatzweise verstanden. Erst viel später, als ich mich zur Kunsttherapeutin ausbilden ließ, konnte ich sie lesen. Heute sind die Bücher für mich ein wertvoller Schatz.